Viele Autofahrer wissen gar nicht, wie unsäglich mies die Behandlung von LKW-Fahrern insbesondere an Grenzen ist. Hier aber nun das erstaunlichste, was ich je an einer Grenze erlebt habe.
Meine Erfahrung als LKW-Fahrer
Trucker gelten in den Augen so ziemlich aller an Grenzen arbeitenden Kontrolettis weder als Gäste noch als Abgesandte von Wirtschaftsunternehmen fremder Länder, sondern als fiese Eindringlinge, die nur Arbeit machen, grundsätzlich erst mal verdächtig sind und die man so behandeln kann, wie gerade die jeweilige Laune ist, denn sie können und werden sich niemals wehren, egal wie schikanös man mit ihnen umgeht.
Wenn man umgekehrt Grenzübertritte mit dem LKW gewohnt ist, empfindet man jeden, aber auch wirklich jeden Grenzübertritt mit einem anderen Verkehrsmittel im Vergleich dazu als einen Spaziergang. Wartezeiten werden plötzlich nur noch in Stunden oder gar Minuten gemessen anstatt in Arbeitsschichten, Tagen oder gar Wochen und es kommt sogar vor, dass sich Grenzer für Wartezeiten entschuldigen.
Auf meiner Tour mit dem Wohnmobil staune ich bei jedem Grenzübertritt aufs Neue. Das fing bereits an der ungarisch-ukrainischen Grenze (Zahony) an, die wir in weniger als einer Stunde passieren konnten. Selbst mit den Hilfstransporten, wo wir meistens vorgelassen werden, benötigen wir an der Grenze zur Ukraine grundsätzlich ein Vielfaches, also mehrere Stunden. Mit gewerblichem Transport dauerte meine schnellste Abfertigung an der gleichen Grenze das Vierzigfache, also fast zwei Tage. Ich habe dort auch schon mal 15 Tage gestanden.
Korruption und Wartezeiten: Als LKW-Fahrer an Straßengrenzen würde ich Anarchist werden
An all den folgenden Grenzen auf unserer Tour konnte ich aus unserem Wohnmobil heraus die Geduld all der vielen Kollegen in den LKWs mal wieder bewundern, die in unfreundlichem Kommandoton von Pontius zu Pilatus geschickt werden, deren Kabinen gefilzt und denen Bestechungsgelder abgeluchst werden, nachdem sie stunden- wenn nicht tagelang darauf warten „durften“. Wäre ich nicht bereits Anarchist, ich würde es als LKW-Fahrer an den Straßengrenzen dieser Welt werden.
Auch Korruption richtet sich übrigens viel häufiger gegen LKW-Fahrer. Mit denen kann man’s ja machen, an Autofahrer trauen sich die modernen Wegelagerer seltener heran. Auf unserer Tour gab es davon bisher lediglich zwei Ausnahmen. Möglicherweise ist es kein Zufall, dass beide in Kasachstan geschahen. Bei der Einreise aus Aserbaidschan forderte der kasachische Zöllner im Fährhafen von Kuryk (südlich von Aqtai) 20 Euro mit der (nur andeutungsweise ausgesprochenen) Androhung, uns sonst das Fahrzeug auseinanderzunehmen, natürlich ohne Quittung.
Heute bin ich losgefahren und habe mich erst unmittelbar danach angeschnallt, dafür wollte ein Scheißbulle gleich 40 Euro, natürlich auch ohne Quittung. Damit hat er sein Monatsgehalt gleich mal um 8-10 Prozent aufgebessert. Es ist mir ein Vergnügen, diese Form der Korruption wenigstens in diesem Blogartikel und dem Buch bloßzustellen – keine gute Werbung für dieses Land. Angesichts dieser beiden Vorfälle möchte ich lieber gar nicht wissen, wie sehr LKW-Fahrer hierzulande ausgeplündert werden – und in den davor durchquerten Ländern leider größtenteils auch.
Es geht auch anders
Doch genug gejammert, eigentlich möchte ich vor allem die positiven Gegenbeispiele schildern. Bei all den bisherigen Grenzübertritten waren die Kontrolettis so freundlich und hilfsbereit, wie ich es so gut wie nie erlebt habe, wenn ich mit dem LKW Grenzen überquert habe. Man sieht, es geht ganz einfach, Freundlichkeit kostet nicht mal etwas. Sprachprobleme werden nicht gegen einen verwendet, sobald klar ist, dass man Tourist ist. Im Gegenteil meistens wird derjenige Kontrolleur gesucht, der wenigstens ein paar Worte Englisch spricht und der begleitet einen dann bei der für alle vorgesehenen Schalter-Rallye. Das ging uns bei der Einreise nach Georgien so, nach Aserbaidschan und auch nach Usbekistan.
Überhaupt bekommt man in Usbekistan oft das Gefühl, als Tourist geradezu privilegiert zu sein. Wenn alle anderen kontrolliert werden, dürfen Touris weiterfahren. Wenn eine übereifrige Nachwuchskraft einen dennoch herauswinkt, winkt einen dessen Vorgesetzter gleich weiter durch.
„Kategorie B“
Der gestrige Grenzübertritt war aber das erstaunlichste, was ich je an einer Grenze erlebt habe. Und dabei fing es mit einer Pleite, Pech und Panne an, die ebenfalls eine Premiere für mich darstellten. Wir wollten von Taschkent/Usbekistan ins kasachische Shymkent und haben den direkten Weg gewählt. Wir kamen durch die erste Schranke und fuhren in die Grenzstation ein.
Erstes Häuschen dort wie üblich Passkontrolle, Ausreise. Hürde genommen. Aber an der zweiten Station scheiterten wir, denn uns wurde gesagt, diese Grenze ginge nicht für unser Fahrzeug. Ich erwiderte, vor uns stünde ein PKW, hinter uns ein Bus, wieso dann nicht auch wir. Ja, aber unser Fahrzeug sei „Kategorie B“ und das ginge nicht. Bahnhof Bratkartoffel? Ich bin noch nie an einer Grenze gescheitert und zurückgeschickt worden, aber man macht ja bekanntlich alles zum ersten Mal. Als wir wieder an der Schranke waren, um aus der Grenzstation herauszufahren, guckte der dortige Grenzer fragend und ich sagte, nix Granitza, Kategorie B. Er deutete den Scheibenwischer an, aber dann lachte er und sagte uns: Welcome to Usbekistan.
Grenzüberschreitung – nächster Versuch
Wir sind dann 34 Kilometer parallel zur Grenze (übrigens mit Zäunen, Wachtürmen, Stacheldraht und gerodeten Streifen, getreu dem russischen Sprichwort „Schlimmer als ein Feind ist ein ehemaliger Freund“.) an den nächsten Übergang gefahren. Dort nahm sich wieder ein Grenzer, der gut Englisch sprach, unser an und geleitete uns durch alle Kontrollen. Er wollte vieles wissen über Deutschland. Er sagte, Grenzer dürften 20 Jahre nicht ins Ausland, aber bald sei diese Frist für ihn vorbei und er möchte unbedingt mal nach Westeuropa fahren. Bei der Kontrolle unseres Fahrzeuges durch seine Kollegen hatten wir – wie jedes Mal hier in den Stan-Ländern – den Eindruck, die sind mehr an der Einrichtung interessiert und staunen über die Dusche, als dass sie uns auch nur den Hauch eines Bösen zutrauen oder bei uns suchen. Es bleibt immer Zeit für einen Scherz oder ein paar Sätze mit Händen und Füßen.
Diesmal interessierten sie sich beispielsweise für den Karton mit Kinderspielzeug, den ich für Bakschisch-Gelegenheiten angeschafft hatte, genauer gesagt für die Knicklichter. Wir zeigten sie ihnen und boten ihnen einige an. Aber sogar das lehnten sie ab, um nicht als korrupt zu gelten. Lediglich die bereits Leuchtenden nahmen sie an, als ich sagte, der Spaß sei in 8 Stunden ohnehin vorbei.
Knicklichter und eine warme Mahlzeit, aber keine Kategorie für die Straßensteuer
Und dabei ist an dieser Grenze nicht wenig los. Drüben auf der kasachischen Seite stauten sich die LKW knapp einen Kilometer. Gerade waren knapp 10 nagelneue Baumaschinen (Schieber mit großen Reifen) in die usbekische Grenzstation rübergekommen: Direktimporte aus China.
Nachdem auf der usbekischen Seite alles erledigt war, passierte etwas, da kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr raus: „Unser“ Grenzer lud uns in die Kantine zum Abendessen ein. Dort saßen ein gutes Dutzend Uniformierte und Zivile, alle begrüßten uns mit Handschlag. Wir hatten mehrere Gerichte zur Auswahl, ich entschied mich für eine Suppe mit Manti und Pablo für Plow.
Auf der kasachischen Seite ging es dann ähnlich freundlich weiter. Alle waren sehr hilfsbereit. Der Zuständige für die Berechnung der Straßensteuer fand keine Kategorie, in die wir reinpassten und entschied irgendwann einfach, dass wir gar nichts zu bezahlen bräuchten. Der uns „betreuende“ Kontrolleur war wieder derjenige Kollege, der ein wenig Englisch konnte. Er sprach auch einige wenige Worte Deutsch, die aber akzentfrei. Er erklärte uns auch, woran das lag: In seiner Schulklasse vor zig Jahren waren nur wenige Russen und Kasachen, die meisten in seinem Dorf, welches in Sichtweite lag, waren Deutsche (die aber mittlerweile fast alle weg sind).
Er wollte dann noch genauer wissen, wohin wir fahren möchten. Er sagte aber dazu, das sei jetzt NICHT wegen der Kontrolle, sondern weil er uns Tipps geben wollte, was es dort noch Interessantes zu sehen und zu besichtigen gibt. Und die Tipps waren sehr gut.
Fazit: Wenn Grenzübergänge immer so nett ablaufen, könnense von mir aus ihre blöden, doofen Grenzen weiter behalten.